Die klassischen Verziehungsmethoden sind sehr alt und stellen eine geometrische Methode der Verziehung von Stufen dar. Sie sind unabhängig von jeder Norm. Die aktuelle Norm DIN 18065 enthält Anforderungen, die eine Verziehung erfüllen muss, deshalb muss man sich vor der geometrischen Konstruktion damit auseinandersetzen.

 

Mindestauftritt

Analog zum „richtigen“ Auftritt im Gehbereich wird der Mindestauftritt an der inneren Begrenzung der nutzbaren Laufbreite als Sehne gemessen. Also nicht unbedingt an der Stufeninnenseite, sondern z.B. an der Innenseite des Handlaufes!

In der Ecke wird wie in der Abbildung „der kurze Weg“ genommen.

mindestauftritt

 

Die Mindestwerte sind:

Gebäude im Allgemeinen Wohngebäude mit bis zu 2 Wohnungen und innerhalb von Wohnungen
Normale Treppen: 100 mm
Spindeltreppen: 100 mm
Normale Treppen: 50 mm
Spindeltreppen: 0 mm

 

Kontinuität

Der Auftritt der Wendelstufen an der Schmalseite muss zur Ecke hin abnehmen oder gleichbleibend sein, heißt es in der Norm. Das ist doch selbstverständlich? Leider zeigt die Praxis, dass dies nicht jedem Treppenbauer klar ist:

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Die Seitenansicht lässt bereits schlimmes erahnen. Und das in einem öffentlichen Gebäude! Das bestätigt sich in der Draufsicht. Die erste verzogene Stufe ist viel zu stark verzogen und hat einen kleineren Mindestauftritt als die folgende.

 

Anzahl verzogener Stufen

Erstmalig ist in der Norm die Anzahl der verzogenen Stufen geregelt. Dies erfolgt indirekt so, dass im geraden Bereich eines Laufes aus der Ecke heraus maximal auf einer Länge von 3,5 x a gewendelte Stufen angeordnet sein dürfen. Das muss man sehen:

verziehungsbereich

 

Der Sinn dieser Regelung liegt darin, die gelegentlich anzutreffenden Treppen mit ausschließlich gewendelten Stufen zu vermeiden, die zu erhöhter Unfallgefahr führen.

Diese Regelung braucht laut Norm nicht eingehalten werden, wenn die Treppe nach einer handwerklich anerkannten Verziehungsmethode gewendelt wurde.

 

Anmerkung:

Diese Ausnahme dürfte den Bolzentreppen geschuldet sein, bei denen aus konstuktiven Gründen „durchgewendelt“ wird. Leider hebelt die zudem schwammig formulierte Ausnahme die gutgemeinte Regelung aus, denn letztendlich sind alle Treppen nach bestimmten Regeln verzogen, auch die Leistenmethode wird in der Fachliteratur beschrieben und bedeutet letztendlich „ausprobieren“.

 

Wahl der Verziehungsmethode

Die Norm regelt, dass in einem Treppenlauf keine unterschiedlichen Verziehungsmethoden angewandt werden dürfen. Eine zweimal viertelgewendelte Treppe hat z.B. zwei Bereiche, die unabhängig voneinander gewendelt sind.

 

Anmerkung:

Auch diese Regelung ist in ihrer grundsätzlichen Formulierung kritisch zu betrachten. Bei Treppen mit mehreren Ecken (also Wendelungsbereichen) kann eine harmonische Verziehung oft nur mit unterschiedlichen Verfahren gefunden werden, z.B. bei kurzem Antritts- oder Austrittsbereich.

 

Spezialfall Österreich

Seit 2011 gibt es in Österreich eine neue Norm, in der die Auftritte bei gewendelten Treppen ganz neu betrachtet werden: statt den Auftritt als Sehne abzutragen, liegen jetzt Kreise mit d = a so zwischen den Stufen, dass die Stufenvorderkanten Tangenten bilden und der Kreismittelpunkt auf der Lauflinie liegt. Als Ergebnis haben die Stufen dort, wo die Lauflinie einen Bogen darstellt, einen größeren Auftritt im Vergleich zur herkömmlichen Sichtweise.

Leider ist diese Betrachtungsweise nicht kompatibel zu bisherigen Verziehungsmethoden und auch sonst konstruktiv kaum zu lösen außer durch ungenaues Probieren: Die Position der Stufenkanten ergibt sich aus deren Winkel, und der Winkel ergibt sich aus der Position. Also beißt sich in Österreich die Katze in den Schwanz.